Aschaffenburg- Eine„Foodsharer-Stadt“
Deutschland, knapp 80 Millionen Menschen, die jährlich zwischen 12-18 Millionen kg Lebensmittel-Müll produzieren. Wir leben in einer Gesellschaft des Überflusses und der Verschwendung. Dauerverfügbarkeit und eine große Auswahlmöglichkeit von Produkten sehen wir in Supermärkten als Norm an. Allein in Aschaffenburg wird täglich von lokalen Bäckern so viel Brot weggeworfen, dass die ganze Stadt einen weiteren Tag mit Brot versorgt werden könnte.
Neun Erasmus-Schülerinnen der Q11 der Maria-Ward-Schule samt den Projektleiterinnen Frau Scholz und Frau Reidl machten sich daher an einem Dienstagabend auf die Suche nach Menschen, die ihre Mitmenschen auf die oben angesprochene Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen wollen.
Das Ziel unserer Erasmus-Gruppe: das „Stern“-Café in Aschaffenburg, „Hauptzentrale“ der Aschaffenburger „Foodsharer“ und „Foodsaver“. Diese sind Teil einer Deutschlandweiten Organisation, die ihren Mitgliedern zunächst eine Plattform „Foodsharing.de“ bietet. Angemeldete Nutzer können hier Lebensmittel, die sie nicht mehr konsumieren und die sonst ihren Weg in die Tonne finden würden, anderen Plattformnutzern spenden. Mitmachen kann jeder, egal welches Alter, ob reich oder bedürftig.
Nicht nur „Foodsharer“ sind verantwortlich für den großen Erfolg der Organisation. Den wohl wichtigsten Beitrag leisten vor allem so genannte „Foodsaver“. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht Produkte von Supermärkten, Bäckereien einzusammeln, die diese nicht mehr verkaufen können oder dürfen und somit auch im Müll landen würden. Voraussetzung als „Foodsaver“ arbeiten zu dürfen ist, zum einen ein Quiz auf der Plattform sowie drei Probe-Abholungen an einem Supermarkt erfolgreich zu bestehen.
Ihre gesamte Ausbeute bringen alle Foodsaver einer Region zu einer Foodsharing-Basis, was beispielsweise ein Café, wie „der Stern“ in Aschaffenburg sein kann. Hier werden die gesammelten Lebensmittel sortiert und aufbereitet, fertig um kostenlos von jedermann abgeholt zu werden. Das Konzept hat sich bewährt: über 6 Millionen kg Lebensmittel konnten bereits vor der Tonne gerettet werden.
Dementsprechend groß war natürlich unser Interesse, das Konzept in seiner Praxis zu beobachten. Nach einem kurzen Vortrag mit den wichtigsten Fakten zur Organisation und den Erfahrungen einer aktiven Aschaffenburger „Foodsharerin“ begann pünktlich um 20:00 Uhr das „Event“. Rasch füllte sich der Raum mit Menschen unterschiedlichsten Alters und Nationalität. Binnen Minuten waren die Lebensmittelberge verschwunden. Zeit für uns, einigen der anwesenden „Lebensmittelabholer“, sowie „Foodsharern“ und „Foodsavern“ ein paar Fragen zu stellen. Die Antworten waren ebenso unterschiedlich wie die Menschen selbst. Doch in einem waren sich alle einig: mit „Foodsharing“ kann jeder seinen Teil zum Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung beitragen. Sie hoffen, mit dieser Idee immer mehr Menschen zu begeistern und sie von dem Konzept zu überzeugen. Denn neue Mitglieder werden immer dringend gesucht.
Der Vorteil von „Foodsharing“: Sie können selbst Lebensmittel weitergeben, bei denen anderen Organisationen die Hände durch beispielsweise Gesundheitsvorschriften gebunden sind. Das wird möglich durch eine Haftungsabtretung.
Das bedeutet, wer Lebensmittel abholt, muss sich im Klaren sein, dass es sich um Ausschussware handelt und die Organisation keine Haftung übernimmt. Das sollte einen jedoch nicht davon abhalten, diese Lebensmittel trotzdem zu konsumieren. Ein Zitat unsere Gastgeberin im „Stern“: „Mindestens haltbar bis heißt nicht tödlich ab“. Die Message dahinter ist eindeutig. Man sollte nicht einfach nur auf irgendwelche Zahlen auf Verpacken achten. Es bringt einen nicht um, seine eigenen Sinne erstmal zu benutzen, um beispielsweise an dem Produkt zu riechen, bevor das „abgelaufene“ Produkt automatisch in der Tonne landet.
Nach all den Eindrücken und neuen Erfahrungen stand für das Erasmus-Team der MWS fest, wir hatten einen aufschlussreichen und interessanten Abend hinter uns, der uns auch noch in Zukunft verfolgen wird. Daher geht unsere Mission weiter. Unser neues Ziel: den Test zum „Foodsaver“ abzusolvieren. Nun wollen auch wir unser Wissen testen und sehen, ob wir das Zeug zu einem echten Lebensmittelretter hätten.
Marie-Luise Popp, Q11